Manfred Wekwerth

 

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"Leben des Galilei" 1955 am Berliner Ensemble: Probe mit Martin Flörchinger, Bertolt Brecht und Ernst Busch
"Leben des Galilei" 1955 am Berliner Ensemble:
Probe mit Martin Flörchinger, Bertolt Brecht
und Ernst Busch (v.l.n.r.)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

"Coriolan" 1964 am Berliner Ensemble: Hilmar Thate und Ekkehard Schall
"Coriolan" 1964 am Berliner Ensemble:
Hilmar Thate und Ekkehard Schall (v.l.)

 

 

 

Shakespeare's "König Richard III." in der Inszenierung von Manfred Wekwerth am "neuen theater halle"
"neues theater halle" 1997:
"König Richard III."
in der Inszenierung von Manfred Wekwerth

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Helene Weigel und Ernst Busch in "Mutter Courage und ihre Kinder"
Helene Weigel und Ernst Busch in
"Mutter Courage und ihre Kinder"
1951 am Berliner Ensemble

 

 

Brecht-Theater - eine Chance für die Zukunft?


Überarbeitete und erweiterte Fassung der Eröffnungsvorlesung zum Brecht-Colloquium anläßlich der Internationalen Buchmesse in Havanna (Februar 2004),
hier in überarbeiteter Form nach dem Artikel in: DAS ARGUMENT, Sonderheft 255/2004

Den Titel habe ich mit einem Fragezeichen versehen. Es ist also eine Frage, die ich stelle. Und sicherlich erwartet man von mir, daß ich sie ohne zu zögern bejahe. Ich werde es nicht tun, und das hat zwei Gründe.

Der erste Grund ist unsere Zeit selbst. Sie ist mehr und mehr von einem bedenkenlosen Aktionismus befallen, der von rigoroser Effektivität, bedingungslosem Erfolgszwang und Einsparung jeglicher Verschwendung, wie der an Gedanken und Geduld, geprägt ist. Man gibt Antworten, bevor die Fragen gestellt sind. Man verkündet Resultate, bevor überhaupt geforscht wurde. Man nennt etwas richtig oder falsch, gut oder böse, nicht, weil man es als solches. erkannt hat, sondern, um es vorhandenen und gewünschten Erkenntnissen anzupassen. Unternehmungen von Tragweite bedürfen nicht mehr irgendwelcher Begründungen, da sie auch unternommen werden, um Begründungen zu finden. Was Wirklichkeit ist, entscheidet seine Wirksamkeit. In der Wissenschaft führt so etwas zur Lächerlichkeit. In der Politik zur Katastrophe, deren aktueller Ausdruck der Präventivschlag ist.
Kaiser Wilhelm mußte 1914 noch auf die Schüsse von Sarajevo warten, um Serbien, das ihn seit langem störte, anzugreifen. Selbst Hitler brauchte noch den Überfall auf den deutschen Sender Gleiwitz, den er mit Deutschen, als Polen verkleidet, selbst inszenierte, um den Zweiten Weltkrieg zu beginnen.

Heute sind solche Gründe überflüssig. Der Krieg selbst ist Grund genug, da man ihn braucht, auch um Gründe zu finden. Und selbst wenn keine Gründe gefunden werden, ist das noch lange kein Grund, mit dem Krieg aufzuhören, da man mit Bedacht und in vorchristlich-manichäistischer Weise die Welt in Gut und Böse eingeteilt hat und sich selbst die Rolle des Guten zudachte, ständig bedroht vom Reich des Bösen und den Staaten der Schurken. Und wer will einen Angreifer, der das Gute ist, hindern, sich gegen sein Opfer, das Böse also, zu wehren? Im Gegenteil. Da der Gute nicht nur das Recht des Guten sondern auch des Stärkeren hat, hat er auch das Recht, sich Beschützer seines Opfers zu nennen und von ihm - wie in den guten alten Zeiten im Chicago der Prohibition - Schutzgeld zu verlangen, heute in Gestalt von Öl, Freihandelszonen, Militärbasen, Willigkeit usw.

Der andere Grund, warum ich die Frage, ob Brechttheater eine Chance für unsere Zeit ist, nicht sofort beantworte, ist Brecht selbst. Brecht haßte die schnellen Antworten. Selbst wenn er eine Antwort gefunden hatte und sie ihm gefiel, zog er sie immer wieder in Zweifel, gerade weil sie gefiel. Er nannte es die "kritische Haltung" (Kleines Organon, GA 23, 73), die nicht nur ein Schlüssel seines Denkens und Verhaltens, sondern auch seines Theaters ist. Den Zweifel nannte er ein Grundanliegen der Gattung Mensch, der die Menschwerdung erst ermöglichte und noch heute ermöglicht. Dem Lob des Zweifels widmete Brecht einige seiner schönsten Gedichte.
Aber an einer Stelle seines Galileo Galilei, die zumeist nur für einen naturwissenschaftlichen Disput gehalten wird, gibt Brecht, wie selten, unmittelbar Auskunft über seine ganz persönliche Methode, zu denken und zu handeln. Es ist die 9. Szene, in der Galilei, trotz des Verbotes durch die Inquisition, seine Forschungen wieder aufnimmt. Von seinen Schülern zur Eile gedrängt, seine Meinung zu den kürzlich entdeckten Sonnenflecken zu sagen, die den Stillstand der Sonne und die Bewegung der Erde beweisen würden, antwortet Galilei:

Meine Absicht ist nicht zu beweisen, daß ich bisher recht gehabt habe, sondern: herauszufinden, ob. Ich sage: Laßt alle Hoffnung fahren, ihr, die ihr in die Beobachtung eintretet. Vielleicht sind es Dünste, vielleicht sind es Flecken, aber bevor wir Flecken annehmen, welche uns gelegen kämen, wollen wir lieber annehmen, daß es Fischschwänze sind. Ja, wir werden alles, alles noch einmal in Frage stellen. Und wir werden nicht mit Siebenmeilenstiefeln vorwärtsgehen, sondern im Schneckentempo. Und was wir heute finden, werden wir morgen von der Tafel streichen und erst wieder anschreiben, wenn wir es noch einmal gefunden haben.

Und was wir zu finden wünschen, das werden wir, gefunden, mit besonderem Mißtrauen ansehen. Beginnen wir also unsere Überlegungen nicht damit, daß wir sagen, Brechttheater ist eine Chance für unsere Zeit, was uns gelegen käme, sondern schreiben wir - dem Rat Galileis folgend - an die Tafel: Brechttheater ist von der Zeit überholt. Und suchen wir nach möglichst guten Einwänden, die das belegen könnten.
Also werden wir an die Beobachtung der Sonne herangehen mit dem unerbittlichen Entschluß, den Stillstand der Erde nachzuweisen! Und erst wenn wir gescheitert sind, vollständig und hoffnungslos geschlagen und unsere Wunden leckend, in traurigster Verfassung, werden wir zu fragen anfangen, ob wir nicht doch recht gehabt haben und die Erde sich dreht! [...] Sollte uns aber dann jede andere Annahme als diese unter den Händen zerronnen sein, dann keine Gnade mehr mit denen, die nicht geforscht haben und doch reden. Nehmt das Tuch vom Fernrohr und richtet es auf die Sonne!

Beginnen wir also unsere Überlegungen nicht damit, daß wir sagen, Brechttheater ist eine Chance für unsere Zeit, was uns gelegen käme, sondern schreiben wir - dem Rat Galileis folgend - an die Tafel: Brechttheater ist von der Zeit überholt. Und suchen wir nach möglichst guten Einwänden, die das belegen könnten.


ERSTER EINWAND

Brechttheater ist eine Verarmung und in seiner Parteilichkeit eine Vereinseitigung des Theaters, da es Lehranstalt für politische Ideologien sein will. Brecht reagierte auf seine Zeit mit der extremen Auffassung, man könne Publikum durch Theater belehren. Das ist ein fundamentaler Irrtum. Die politische Rolle des Theaters - und es ist sehr politisch - ist nicht, Lösungen zu bieten und Ideologie zu vermitteln. Diese Idee der Lehrstücke ist eine Überheblichkeit, die kein Mensch akzeptieren kann. Sie geht davon aus, daß die Gesellschaft aus Kindern besteht, die man belehren müsse. Das Lehrstück ist eine gefährliche Ausdrucksform, es vermittelt Stalinismus. Irgendwann schrieb Brecht auch ein großes Stück zur Rechtfertigung Stalins. Wirkliches Theater zeigt politische Situationen, indem es alle Widersprüche zur Darstellung bringt. Es stellt gleichsam einen Spiegel auf, der die Komplexität der Widersprüche zeigt. Es vertraut dem Publikum und seiner Fähigkeit, selbst erwachsene Schlußfolgerungen zu ziehen.

Da dieser Einwand von einem Großen des europäischen Theaters, Peter Brook, kommt, möchte ich zunächst eine Gegenfrage stellen: Was ist eigentlich Brechttheater? Ist es ein Theater, das nur Brecht spielt? Dann wäre das Berliner Ensemble, auch zu Brechts Zeiten, kein Brechttheater gewesen, denn es spielte mehr Stücke anderer Autoren als die von Brecht. Schon die zweite Premiere nach der Gründung 1949 war Wassa Shelesnowa von Maxim Gorki, es folgten Der Hofmeister von Lenz und Biberpelz und Roter Hahn von Gerhart Hauptmann. Sind, wie im Einwand formuliert, die Lehrstücke typischer Ausdruck von dem, was man Brechttheater nennt? In ihnen verzichtete Brecht auf das "Kulinarische", wie er es nennt, und will tatsächlich direkte Belehrung.
Abgesehen davon, daß die Lehrstücke Brechts unmittelbare Reaktion auf die Situation der Klassenkämpfe der 20er und 30er Jahre waren, in der nichts nötiger gebraucht wurde als Wissen über Zusammenhänge von Kapital, Arbeitslosigkeit und Faschismus, waren die Lehrstücke zur Belehrung der Spieler, nicht des Publikums gedacht (weshalb sie Brecht auch hauptsächlich für Schulen schrieb). Spielend sollten die Darsteller widersprüchliche Situationen am "eigenen Leibe" erfahren, um Widersprüche in der Wirklichkeit besser erkenn und mit ihnen umgehen zu können. Nicht die "Lösung wurde vermittelt", sondern die Fähigkeit, richtige Fragen zu stellen und dafür selbst Antworten zu finden. Aber auch das nicht als "Lehranstalt für Ideologie", sondern im Spaß des Spielens, also als ästhetischer Genuß. Ich selbst habe gerade mit Kindern an einem Lehrstück gearbeitet. Es ist Der Brotladen, ein Textfragment über Arbeitslosigkeit von Brecht aus dem Jahr 1929, in dem Arbeitslose, um sich über ihre Lage klar zu werden, selbst spielen und auch jene darstellen, die sie arbeitslos machten. Die Kinder kamen aus verschiedenen Schulen und sozialen Schichten, nur in einem Punkt übereinstimmend: Daß sie noch nie nach den wirklichen Ursachen der Arbeitslosigkeit gefragt hatten. Spielend entdeckten sie Zusammenhänge: "Reicher Mann und armer Mann / Standen da und sahn sich an / Und der Arme sagte bleich: / Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich" (Brecht) Aus der Probenarbeit heraus kam die Idee, die Premiere nicht in einem Theater, sondern im Arbeitsamt zu machen, also vor Arbeitslosen. Selbst zu Erkenntnissen gekommen, vermittelten "die Kinder", Arbeitslose darstellend, den Arbeitslosen nicht nur ihre "Entdeckungen", sondern auch den Spaß am Entdecken und das trotz des bitteren Themas. Die gefährliche Ausdrucksform, die laut Brooks EINWAND "Stalinismus vermittelt", vermittelte in diesem Falle etwas ganz anderes:

Das Theater des wissenschaftlichen Zeitalters vermag die Dialektik zum Genuß zu machen. Die Überraschungen der logisch fortschreitenden oder springenden Entwicklung, der Unstabilität aller Zustände, der Witz der Widersprüchlichkeiten und so weiter, das sind Vergnügungen an der Lebendigkeit der Menschen, dinge und Prozesse, und sie steigern die Lebenskunst sowie die Lebensfreudigkeit. (Brecht, GW 16, 702)

Dem Generalissimus wäre so etwas sicherlich ein Graus, denn er hat, wie Brecht in seinem Nachruf auf ihn schreibt, die Dialektik abgeschafft. In seinen berühmten Vier Grundzügen der Dialektik fehlt eines: die Dialektik. Die Einheit der Widersprüche kommt bei Stalin nicht vor. Auch das "große Stück, das Brecht zur Rechtfertigung Stalins schrieb", hätte Stalin bestimmt keine Freude gemacht. Denn in der Maßnahme, die hier offenbar gemeint ist, kontrolliert und befragt ein Chor alle Maßnahmen der Funktionäre, so daß das Stück wegen seiner schonungslosen Dialektik von der stalinorientierten kommunistischen Presse bei seiner Uraufführung 1930 bekämpft wurde. "Ein prominenter kommunist sagte: wenn das kommunismus ist, dann bin ich kein kommunist. vielleicht hat er recht." (Brecht 1930) Und was die ›Parteilichkeit‹ betrifft, so wird hier - wie üblich - ›parteilich‹ mit ›parteiisch‹ verwechselt.
Aber was ist nun Brechttheater? Bevor es etwas anderes ist, ist es Theater. Und Theater besteht - jedenfalls nach Brecht - darin, "daß lebende Abbildungen von überlieferten oder erdachten Geschehnissen zwischen Menschen hergestellt werden, und zwar zur Unterhaltung" (GA 23, 66) hatte man erwartet, daß Brecht 1948, nach Deutschland zurückkehrend aus der Emigration, wieder zu den Lehrstücken greift, um Wissen unter die besiegten und verwirrten Leute zu bringen, schreibt er gerade in dieser Zeit sein Kleines Organon für das Theater:

Widerrufen wir also, wohl zum allgemeinen Bedauern, unsere Absicht, aus dem Reich des Wohlgefälligen zu emigrieren, und bekunden wir, zu noch allgemeinerem Bedauern, nunmehr die Absicht, uns in diesem Reich niederzulassen. Behandeln wir das Theater als eine Stätte der Unterhaltung, wie es sich in einer Ästhetik gehört, und untersuchen wir, welche Art der Unterhaltung uns zusagt! (GA 23, 66)

Spricht man von Brechttheater, sollte man beachten, daß auf diesem Theater keine Belehrung stattfindet, die nicht unterhaltsam ist. Es wird keine Philosophie gegeben und keine Politik, ohne den Spaß und das Vergnügen daran. Ja, Brecht ergänzte in den fünfziger Jahren die bekannte These, daß es auch auf dem Theater darauf ankomme, die Welt nicht nur zu interpretieren, sondern zu verändern: "Es ist nicht genug verlangt, wenn man vom Theater nur Erkenntnisse, aufschlußreiche Abbilder der Wirklichkeit verlangt. Unser Theater muß die Lust am Erkennen erregen, den Spaß an der Veränderung der Wirklichkeit organisieren." (Notate zu Katzgraben, GA 25, 418)
Sieht man Brecht-Texte einmal nicht nur nach ihrem Inhalt durch, sondern nach der Methode statistischer Wahrscheinlichkeit, wie oft zum Beispiel bestimmt Wortwendungen vorkommen, wird man eine überraschende Entdeckung machen: Begriffe wie "erkennen", "verändern", "produzieren" kommen selten allein vor. Es fast immer das "Vergnügen des Erkennens", die "Lust zur Veränderung", der "Spaß der Dialektik", die "Leidenschaft des Produzierens", der "Witz des Widersprüchlichen", der "Genuß an der Lebendigkeit der Menschen, Dinge und Prozesse, usw." Diese Begriffe werden merkwürdigerweise zumeist übersehen, weil sie dem falschen Bild vom Rationalisten Brecht nicht entsprechen. Man hält sich lieber an das reine Wissen, die "reine" Produktivität, die "reine" Erkenntnis, die "reine" Belehrung - ohne das Theater.
In den letzten Gesprächen, die ich im Herbst 1956 mit Brecht hatte, beklagte er sich bitter, daß man sein Theater "unnaiv" betrachte. Als wollte er Theater durch Wissenschaft ersetzen. Dabei habe er doch die Wissenschaften hinzugezogen, nicht um das theatralische Vergnügen zu verringern, im Gegenteil. So wie Shakespeare zu seiner Zeit die neuesten Errungenschaften der Wissenschaften hinzuzog, zum zu ganz neuen Leidenschaften, Späßen und Figuren zu kommen, die dem alten Theater abhanden gekommen waren. Damals wurde Plutarch aus dem Lateinischen das erste Mal ins Englische übersetzt. Shakespeare benutzte ihn sofort für seine Tragödie des Coriolan. Oder Thomas Morus, Verfasser der Utopia. Seine Lebensbeschreibung von König Richard dem Dritten (die übrigens eine Fälschung ist) verarbeitete Shakespeare sofort zu einem Stück, bis heute wahrscheinlich eines der bühnenwirksamsten Stücke überhaupt.
Aber auch Marx - so Brecht in jenem Herbst 1956 - sei ohne Begriffe wie Lust, Spaß, Genuß überhaupt nicht zu verstehen. Und auch bei ihm lese man gern darüber hinweg. Dabei stehe es in den Grundrissen schwarz auf weiß: Der Zweck der Gesellschaft und der Zweck des Menschen ist der Mensch selbst. Der Mensch ist Selbstzweck. Um dies allerdings zu erkennen und zu erreichen, sei allerhand gesellschaftliche Anstrengung nötig. Doch Vergesellschaftung heiße ja nicht, den Menschen als einzelnen auszulöschen, sondern ihm die Chance zu geben, seine Individualität, also seine Verschiedenheit zu entwickeln und so, wie Marx sage, "zu der Universalität der Eigenschaften, Fähigkeiten, Genüsse usw. zu kommen".
Ein Satz von damals ist mir noch im Gedächtnis, mit dem Brecht das Gespräch beendete: "Marx und Gleichmacherei! Ein Blödsinn. Erst, wenn alle auf gleicher Stufe stehen, wird man ihre Unterschiede bemerken." Bevor man also von Brechttheater redet, muß man wissen, daß Theater gemeint ist - Theater mit runden, vitalen, widersprüchlichen, poetischen Figuren. Als 1954 nach der Premiere des Kaukasischen Kreidekreises, bei der ich das Glück hatte, Co-Regisseur von Brecht zu sein, die Darstellerin der Grusche, Angelika Hurwicz, entsetzt zu Brecht kam, weil das Publikum am Ende geweint hat, als der Armeleuterichter Azdak ihr das Kind der Gouverneurin zusprach, beruhigte sie Brecht: "Dann haben Sie richtig gespielt." Das Publikum habe gegen seine eignen Interessen geweint. Denn dieselben Leute würden doch in ihrem eigenen Leben kaum zustimmen, wenn Eigentum nicht mehr nach dem Erbrecht, sondern nach der Nützlichkeit verteilt würde. Dazu müsse man schon einiges erschüttern.


ZWEITER EINWAND

Brecht war Marxist und wollte die Welt verändern. Marx ist tot. Die Welt hat sich als unveränderbar erwiesen. Der Kapitalismus hat gesiegt.

Zunächst: Selbst, wenn dem so wäre, wäre das ja eine enorme Veränderung. Tatsächlich hat sich die Welt im letzten Jahrzehnt atemberaubend verändert und zwar mehr, als es von rechts wie von links je erwartet wurde. Auch wenn die Veränderung andere sind, als die - auch von Brecht - geplanten, kann man ja nicht die Veränderungen in Zweifel ziehen, allenfalls den Plan. Brecht wäre der letzte, der einen Plan, wenn er gescheitert ist nicht in Zweifel ziehen würde, denken wir an sein schönes Gedicht "Lob des Zweifels". Aber Brecht lobt den Zweifel nicht, um zu verzweifeln, sondern um besonders nach Niederlagen mut zu finden, von neuem zu beginnen, indem man alles Bisherige in Zweifel zieht und überprüft.
Der Sozialismus in Europa - sofern es überhaupt schon Sozialismus war - ging zugrunde, als habe sich Lenins Voraussage von 1921 erfüllt: "Niemand kann den Kommunismus verhindern, wenn nicht die Kommunisten ihn selbst verhindern"; wenn sie zum Beispiel die Grundregel vergessen: ›die konkrete Analyse der konkreten Situation‹. Für die Emanzipation der Menschen ist der Verlust von Alternativen eine Katastrophe. Aber, vielleicht auch eine Erfahrung, die hilfreich sein kann bei einem erneuten Versuch, "alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist" (MEW 1, 385). Denn in diesen Worten des jungen Marx sah Heiner Müller zum Beispiel, sonst Skeptiker aus Leidenschaft, den "praktischen Glutkern des Marxismus", der seiner Meinung nach nie erlöschen wird. So kann die Niederlage des Sozialismus auch Erkenntnis sein, daß es ohne Demokratie, verstanden als wirkliche Herrschaft des Volkes, keinen Sozialismus geben wird. Ja, daß zum Beispiel Volkseigentum erst durch die wirkliche Übernahme der Betriebe durch die Produzenten zum Volkseigentum wird. Hier gilt Brechts Warnung: Was sind Staaten ohne die Weisheit des Volks? Oder wie es Heiner Müller radikaler sagt: "In der Sowjetunion und in der DDR wurde der groß angelegte Versuch unternommen, Marx zu widerlegen. Der Versuch ist gescheitert".
Doch hin wie her: der Kapitalismus hat gesiegt. Hat der das wirklich? Bei der Demonstration der 500 000, 15. Februar 2003 in Berlin, gegen Bushs Überfall auf den Irak, sah ich zwei Transparente. Auf dem einen stand: EINE ANDERE WELT IST MÖGLICH. Auf dem andern: DER KAPITALISMUS HAT NICHT GESIEGT - ER IST ÜBRIGGEBLIEBEN.

Er ist übriggeblieben mit all seinen Widersprüchen, verschärft durch die Tatsache, daß ihm sein altes Feindbild verlorenging. Das Feindbild des Kommunismus als "Reich des Bösen" hielt die verfeindeten Brüder des Kapitals einigermaßen zusammen; bremste den Abbau des Sozialen und Menschlichen und ließ die Legende von der "sozialen Marktwirtschaft" aufkommen. Ohne Gegenkraft - und mindestens als Gegenkraft war der Sozialismus real - wird das Kapital hemmungs- und uferlos und findet zu seiner ›Normalität‹, also zum Kapital, von Marx zurück. Und während ich in einer sozialistischen deutschen Zeitung auf die Frage, ob Marx überholt ist, lese: Er sei so wenig überholt wie die Höhlenmalerei der Steinzeit, man müsse ihn nur als Dichtung behandeln und nicht als Wissenschaft, klingt es heute aus den USA schon anders:

In den dreißiger Jahren wurde der Faschismus bisweilen als ›Kapitalismus ohne Maske‹ bezeichnet, das heißt als reiner Kapitalismus ohne demokratische Rechte und Organisationen.
Wir wissen heute, daß diese Definition zu einfach ist, aber auf den heutigen Neoliberalismus: trifft sie zu: Er ist tatsächlich ein ›Kapitalismus ohne Maske‹. Repräsentiert er doch eine Epoche, in der die Wirtschaftsmächte stärker und aggressiver sind und auf weniger organisierten Widerstand treffen als je zuvor [...] Lauthals und hartnäckig verkündet der Neoliberalismus, daß es keine Alternative zu ihm gebe und die Menschheit ihren höchsten Stand erreicht habe, also das ›Ende der Geschichte‹, was schon viele Epochen vor ihm behaupteten.

Das schreibt Robert W. McChesney in der Einleitung zu Noam Chomskys Buch ›Profit over People‹. Die Zeit, so scheint es, hat Brecht wieder eingeholt. Waren seine Stücke für viele Vergangenheit, sind sie heute greifbare Gegenwart. Die Massenarbeitslosigkeit zum Beispiel in Die heilige Johanna der Schlachthöfe, geschrieben 1930, ist nicht (wie Johanna glaubt und wie wir es heute lesen) Resultat einer Wirtschaftsflaute und mit dem nächsten Aufschwung wieder zu beheben. Die "industrielle Reservearmee" (Marx) ist Bestandteil des funktionierenden Kapitalismus. Nicht seine Flaute, sein Erfolg produziert sie. Denn mit den Aktienkursen steigen auch die Arbeitslosenzahlen. Was man heute "shareholder value" nennt, war für Brecht die "soziale Sintflut". Aber er wäre nicht Dialektiker, wenn er im Aufstieg des Kapitals nicht auch seinen Abstieg sähe. In diesem Zusammenhang erzählte er gern eine Anekdote aus den dreißiger Jahren: Henry Ford, der Ältere, zeigt Philippe Reuther, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Automobilarbeiter, stolz eine Fabrikhalle, in der nur noch Automaten arbeiten. "Diese Automaten", sprach Henry Ford, "werden nicht mehr streiken". "Nein", antwortete Philippe Reuther, "aber sie kaufen auch keine Autos". Doch nicht nur die Stücke Brechts, auch seine Art und Weise, sie auf der Bühne darzustellen, eben die "Verfremdung", verdient unsere Aufmerksamkeit in einer Welt, die sich gern selbst verklärt, um nicht erkannt zu werden. "Demokratisierung" sagt man, wenn man ein Land überfällt, um den Kapitalismus wieder einzuführen. In einer "Wissensgesellschaft" leben wir, sagt man jenen, denen man durch Schulabbau, Lehrermangel, Studiengebühren und Elitekult das Wissen vorenthält. Und jene "Informationsgesellschaft", die den Kapitalismus angeblich abgelöst hat, macht jede Information zur Ware, deren Wert nicht die Information ist, sondern der Verkauf. Hier ist Verfremdung, also der Blick, der hinter dem Gewohnten die ungewöhnlichen Ursachen entdeckt, heute nicht nur ein geeignetes Mittel des Theaters, sondern die Chance, sich im gewöhnlichen Leben zurechtzufinden.
Es gibt auch heitere Aktualitäten. Erst kürzlich traf ich einen Schweizer Millionär, der in tiefer Sorge war. Er hat ein gut gehendes Unternehmen und zwei Söhne. Der eine sechs Jahre, der andere zehn. Seine Sorge: Wie soll er seine Söhne erziehen? Als guter Christ will er, daß sie gute Christen werden, und da gilt Moses: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst". Aber seine Söhne sollen auch einmal die Firma übernehmen, und da wäre die Liebe zum Nächsten ruinös. Denn da gilt: Nieder mit der Konkurrenz!
Er fand seinen Seelenfrieden wieder, als ich ihm Brechts Der gute Mensch von Sezuan zu lesen gab. Eine gute Shen-te, die allen Gutes tut, und der böse Vetter Shui-ta, der die Verluste, die das Gutsein bringt, durch Härte wieder ausgleicht, und alles in einer einzigen Person, das schien unserem Schweizer Millionär ein gangbarer Ausweg aus seiner Glaubenskrise zu sein.
Trotz der Brecht-Renaissance, der vorhandenen und der zu erwartenden, soll das nicht heißen, daß Brecht alles voraussah und nie irrte. Sein Glaube an die Arbeiter und ihre Klasse zum Beispiel, der bei ihm schon fast religiöse Züge trug, hat sich nicht erfüllt. Sein Satz "Wo ein Arbeiter ist, ist nicht alles verloren", formuliert 1932 in Die Mutter, erwies sich damals schon als Utopie. Viele Arbeiter stimmten für Hitler. Und wie erst muß es heute Utopie sein: Die Angst um den Arbeitsplatz und eine gigantische Arbeitslosenarmee, vom Kapital organisiert durch Zurücknahme von 150 Jahren Arbeiterbewegung, dazu eine bis dahin nie gekannte Medienattacke, die das als alternativlos hinstellt, bringen viele Arbeiter dazu, nicht mehr gegen Ausbeutung zu kämpfen, sondern dafür, sich ausbeuten zu lassen, also um den Arbeitsplatz. Aber soll man deswegen jede Utopie aufgeben, nur weil eine nicht in Erfüllung ging? Verlust von Utopien ist Verlust an Lebenswillen. Aber gerade die Stärkung des Lebenswillens ist erklärtes Ziel künstlerischer Betätigung, jedenfalls nach Brecht. Oder wie es Jürgen Habermas ausdrückt: "Wenn die utopischen Oasen austrocknen, breitet sich eine Wüste von Banalität und Ratlosigkeit aus." Von Brechts Utopie, einer Gemeinschaft von freien Produzenten, die Emanzipation, Chancengleichheit und Gerechtigkeit erwirkt, bleibt die Hoffnung, daß sich auch heute genügend Leute finden werden, die die Unerträglichkeit der Zustände empfinden, erkennen und beseitigen.
"Marx ist tot, und Brecht hat sich mit ihm erledigt". Noch einmal nachdenkend über diesen Einwand kommen mir doch Zweifel. Ein evangelischer Pfarrer, den ich neulich traf, wurde deutlicher: "Nicht einmal Jesus, würde er heute leben und die Mühseligen und Beladenen zu sich bitten, würde ohne Marx auskommen."


DRITTER EINWAND

Brecht glaubt an die Vernunft. Durch eingreifendes Denken wollte er Vernunft verbreiten, daß die Menschen die Welt erkennen und verändern. Vernunft, seit Diderot als Allheilmittel gepriesen, hat sich als die eigentliche Krankheit erwiesen. Wissenschaftsgläubigkeit als fataler Irrtum. Die Welt ist nicht erkennbar.

Diesen Einwand will ich ganz kurz beantworten, nämlich mit Brecht selbst. Man schrieb das Jahr 1954. Das Berliner Ensemble befand sich auf seiner ersten Paris- Tournee: Gezeigt wurde Mutter Courage und ihre Kinder, der Erfolg war enorm. Brecht, der Erfolg liebte, aber den Erfolgsrummel nicht mochte, zog sich in das kleine Café im berühmten Théâtre Sarah Bernhardt, unserem Spielort, zurück. Und eben da fand eine historische Begegnung statt. Eugène Ionesco, Mitbegründer des Absurden Theaters der 50er/60er Jahre, hatte Brecht aufgespürt. Umgeben von Anhängern, die ihn bewunderten, stellte er Brecht zur Rede: "Ich beschuldige Sie, Herr Brecht, der Tötung der Gefühle auf der Bühne und des Terrors der Vernunft." Seine Rede gipfelte in dem Ausruf: "Geben Sie sich keine Mühe, Brecht, diese Welt ist unerkennbar!" Brecht wandte, wie er es immer tat, wenn ihm etwas unbehaglich war, mehrmals den Kopf hin und her, und sagte dann sehr leise, aber deutlich: "Wenn die Welt unerkennbar ist, Herr Ionesco, woher wissen Sie das dann?"
Ich weiß nicht mehr, was Ionesco antwortete. Ich weiß nur, daß er Brecht niemals wieder in Sachen Vernunft angesprochen hat.


VIERTER EINWAND

Brecht will politisches Theater.

Obwohl dies wahrscheinlich der häufigste Einwand ist, trifft man ihn meistens ohne Begründung. Es scheint selbstverständlich, daß politisches Theater heute antiquiert ist, überholt, ja lächerlich. Das letztere ist nicht einmal von der Hand zu weisen, wenn man unter Politik versteht, was die sogenannte "politische Klasse", die heutige Politiker-Garde, aufführt, denn es ist perfektes Schmierentheater.
Aber auch wenn man das politische Theater Brechts nimmt, scheint sein Schicksal besiegelt. Es konnte in den letzten Jahren weder den sozialen Kahlschlag mit der verheerenden Massenarbeitslosigkeit verhindern, noch die Rückkehr des Kriegs als Fortsetzung der Politik, und auch nicht die Neubelebung des Faschismus, obwohl in dieser Zeit gerade Stücke wie Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui und Die heilige Johanna der Schlachthöfe gespielt wurden, die sich direkt gegen diese Entwicklung wehren. Der Verzicht auf politisches Theater ist bei Theaterleuten oft nicht Ablehnung, sondern Resignation. Doch die Enttäuschung über die Wirkungslosigkeit des Theaters ist eigentlich ein Resultat der Überschätzung des Theaters. Der Meinung nämlich, Theater könne allein die Welt verändern.
Brecht hat nie behauptet, daß Theater die Welt verändern kann. Theater kann politische Bewegungen beleben oder bremsen, es kann sie nicht ersetzen. Im Beleben politischer Bewegungen allerdings vermag es mehr als alle anderen Künste. Beaumarchais' Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag verursachte gewiß nicht die Französische Revolution, löste aber in der revolutionären Situation von 1784 eine Bewegung aus, die der Sturm auf die Bastille direkt fortsetzte. Brechts Galilei konnte die Atombombe nicht verhindern, aber bestimmt hat es die Zahl der Freunde der Atombombe vermindert und so etwas wie ein Weltgewissen geweckt. Eine Aufführung von Brechts Turandot oder der Kongreß der Weißwäscher hat in keiner Gesellschaft den käuflichen Mißbrauch der Intellektuellen zwecks Machterhaltung verhindert, aber es hat den TUI in die Welt gebracht, Brechts Umkehrung des Intellektuellen in TELLEKT-UELL-IN (GW 12,598), das käufliche Zerrbild, das bereit ist, für die Herrschenden ein X zu einem U zu machen.
Ja, Brecht will politisches Theater. Schon mit seinen Lehrstücken greift er in den 30er Jahren unmittelbar in den Klassenkampf ein. Die Maßnahme, ein Diskurs über Sittlichkeit und Klassenkampf, wurde nicht nur für Arbeiter gespielt, sondern von Arbeitern. Auch ein Stück wie Die Gewehre der Frau Carrar, geschrieben während des spanischen Bürgerkrieges, greift unmittelbar in den politischen Kampf ein, indem lapidar festgestellt wird, in diesem Kampf gibt es keine Neutralität. Aber es ist ein Irrtum, Brechts politisches Theater auf das politische Thema zu beschränken. Natürlich ist ein Stück wie Die Tage der Commune eminent politisches Theater. Aber nicht weil darin politische Themen abgehandelt werden, sondern weil es eine politische Haltung bezieht: die Lust an der Veränderung der Dinge, der politischen wie der privaten. Die Liebe des Communarden Jean zu Babette, auf der er besteht, obwohl die aussichtlose Zukunft der Liebe enträt, ist mindestens so politisch, wie der Sturm auf das Pariser Stadthaus. Umgekehrt kann ein Stück wie Die Kleinbürgerhochzeit, in dem kein einziges politisches Wort fällt, politischer sein als manch politisches Pamphlet. Demontiert es doch in chaplinscher oder valentinscher Weise das größte Hemmnis aller Revolutionen: den selbstgefälligen und selbstgenügsamen Kleinbürger.
Stücke mit politischen Themen müssen nicht politisch sein, zum Beispiel wenn sie langweilig sind, und Stücke der privatesten Sphäre können Revolutionen vorantreiben, wie eben Beaumarchais' Toller Tag. Verzicht auf Politik, wie er heute an Theatern um sich greift, ist nicht etwa keine Politik, sondern fragwürdige. Es ist "selbstverschuldete Unmündigkeit", vor der schon Kant warnt. Brecht geht einen Schritt weiter: "Ohne Ansichten und Absichten kann man keine Abbildungen machen. Ohne Wissen kann man nichts zeigen; wie soll man da wissen, was wissenswert ist? Will der Schauspieler nicht Papagei oder Affe sein, muß er sich das Wissen der Zeit über das menschliche Zusammenleben aneignen, indem er die Kämpfe der Klassen mitkämpft." (GA 23, 86)


FÜNFTER EINWAND

Der Brecht-Stil. Brecht will mit seinem Theater das Publikum aufklären. Die Zeit der Aufklärung ist vorbei. Heute zerfällt die Welt in ihre Einzelheiten, Zusammenhänge verschwinden. Man kämpft, wie der bekannte Vertreter der Postmoderne, Jean-Francois Lyotard, sagt, ›gegen den weißen Terror der Wahrheit, mit und für die rote Grausamkeit der Singularitäten‹.
Wie aber soll der Schauspieler die Abgründe der heutigen Welt darstellen, wenn Brecht nur Gründe gelten läßt? Und wie soll der Zuschauer Abgründe erleben, wenn Brecht durch Verfremdung eine Distanz schafft und jede Beteiligung des Zuschauers verhindert?

Zunächst: Abgründe sind keine Erfindung der heutigen Welt. Vielleicht fallen sie heute mehr auf, weil man heute mehr von ihnen redet. Aber schon Brechts Im Dickicht der Städte, geschrieben 1923, zeigt den abgründigen Kampf zweier Männer, die nicht wissen, warum sie kämpfen, was den Kampf noch verschärft. Nur nennt Brecht - als alter Hegelianer - Abgründe bei ihrem bürgerlichen Namen: "Widersprüche". Und wenn Brecht sein Publikum "aufklären" will - und er will es tatsächlich -‚ so darüber, daß Widersprüche (oder Abgründe) nicht nur in der Welt existieren, sondern die Welt beherrschen. Doch wo bei anderen der Glaube an ewige Abgründe anfängt, beginnt bei Brecht der Zweifel: Was ist der Grund der Abgründe? Brecht läßt also nicht nur die Gründe gelten, sondern auch die Abgründe. Allerdings müssen es sich die Abgründe gefallen lassen, befragt zu werden. Nicht um sie zu verkleinern, im Gegenteil, Abgründe (also Widersprüche) werden um so tiefer, je weniger man sie als "ewig", also als gott- oder naturgewollt hinnimmt (als "Immeriges", wie Brecht sagt), sondern als Entstandenes, damit Vergängliches. Eben als Irdisches, von Menschen Gemachtes.
Bestritten wird nicht, daß in dieser Welt auch Unänderbares anzutreffen ist. Denn "das lange nicht Geänderte [...] scheint unänderbar. Allenthalben treffen wir auf etwas, das zu selbstverständlich ist, als daß wir uns bemühen müßten, es zu verstehen." (GA 23, 81) Gegen solche Selbstverständlichkeiten, die sich durch Gewöhnung der Aufmerksamkeit des Menschen entziehen, und gegen die "Grausamkeit der Singularitäten", jene Einzelheiten also, die ihre Zusammenhänge leugnen, kurz, gegen eine Welt, die stillsteht, entwickelte Brecht sein Theater, das er ein "nicht-aristotelisches" nannte. Bekanntlich sah Aristoteles in seiner Poetik die Wirkung der Tragödie darin, daß sie durch Nachahmung einer Handlung beim Zuschauer Furcht und Mitleiden erregt, um den Zuschauer von Furcht und Mitleiden zu reinigen. Dazu identifiziert sich der Schauspieler völlig mit der darzustellenden Figur und veranlaßt den Zuschauer, es ihm gleichzutun und das Schicksal des Helden wie sein eigenes zu erleben. "Diese Reinigung erfolgt auf Grund eines eigentümlichen psychischen Aktes, der Einfühlung des Zuschauers in die handelnden Personen, die von den Schauspielern nachgeahmt werden." (GW 15, 240) Brecht verweist in diesem Zusammenhang auf Cicero, der von dem römischen Schauspieler Polus berichtet, welcher, um das Publikum mehr mitleiden zu lassen, als Elektra, die ihren Bruder beweint, die Urne mit der Asche seines gerade verstorbenen Kindes im Arm trug.
Gegen ein Theater der bloßen Einfühlung verfaßte bereits Denis Diderot 1773 sein berühmtes "Paradoxon über den Schauspieler". Dem Anliegen der Aufklärung folgend, reichte Diderot auch auf dem Theater das bloße Nachahmen der Natur und ihrer Empfindungen nicht aus, um vom - wie er schreibt - "empfindenden zum denkenden Menschen" zu kommen. Für Diderot führt nicht das eigene Leiden des Schauspielers auf der Bühne zu großen Gefühlen, sondern inwieweit er in der Lage ist, "mit kühlem Kopf und ausgezeichneter Urteilskraft" große Gefühle nachzuahmen, die er an Menschen beobachtet hat. Und je weniger er sie auf der Bühne teilt, um so wirksamer werden sie. Ja, Diderot empfiehlt, um den "kühlen Kopf und die ausgezeichnete Urteilskraft" zu behalten, sogar die entgegengesetzten Gefühle zu entwickeln: in einer Liebesszene also auch die der Abneigung, in einer pathetischen Szene deren prosaisches Gegenteil. Höhepunkt des Theaters der Einfühlung war sicherlich das "System" des großen russischen Theaterreformers Stanislawski, der mit seiner Forderung nach "Wahrheit der Empfindungen" auf der Bühne, mit der er gegen die erstarrten Klischees des Hoftheaters seiner Zeit rebellierte, große realistische Wirkungen erzielte. Aber auch er mußte nach den revolutionären Umbrüchen in Rußland feststellen, daß zur Darstellung der neuen sozialen Widersprüche bloße Einfühlung nicht mehr ausreicht. In seinen späteren Inszenierungen verlangte er vom Schauspieler neben der Einfühlung in die Figur auch die Kritik der Figur und verlangte vor der Einfühlung "physische Handlungen", um so die Gefühle der Figur erst einmal zu erkunden.
Kritiklose Einfühlung birgt im Theater mehr als in anderen Künsten die Gefahr der Täuschung, durch die das Publikum verführt werden kann. Diese Gefahr sah Brecht auch in der "Theatralisierung der Politik". So nannte er die Masseninszenierungen der Nürnberger Parteitage durch die Nazis ein "Theater des Glaubenmachens". Eine heutige Entsprechung dieses Theaters sind die sogenannten "Events" des Showbusiness als Höhepunkte substanzlosen Miterlebens von Scheinrealitäten. "Theatralisierung der Politik" findet regelmäßig auch in den Wahlkämpfen statt, wo echte Kämpfe zwischen echten Alternativen vorgetäuscht werden. Auch gegen den Mißbrauch des "Theaters der Einfühlung" entwickelte Brecht sein "nicht-aristotelisches" Theater, das auch ein neues Verhältnis zum Helden auf der Bühne schafft. Der Zuschauer soll nicht mehr "wie am Gängelband" dem Schicksal des Helden folgen, sondern soll "mit seinem Urteil dazwischenkommen können". Durch bestimmte künstlerische Maßnahmen, Verfremdung genannt, wird bloße Einfühlung des Zuschauers verhindert, so daß er aus einer bewußten Distanz den subjektiven Horizont der Bühnenfigur überschreiten kann, um Zusammenhänge und Widersprüche zu entdecken, die der Figur selbst nicht bewußt sind, die aber ihr Verhalten und ihren Charakter erst wirklich erkennbar (und erlebbar) machen. Dabei wird das "Selbstverständlichste" und "Natürlichste" so dargestellt, daß es beim Zuschauer Verwunderung erregt, der wichtigste Schritt zur Erkenntnis, aber auch zur Unterhaltung.
Das "aristotelische" Theater dagegen benutzt die dem Theater innewohnende "Magie", eben jene Täuschungskunst, den Vorgängen und dem Charakter des Helden und seinem Verhalten die Aura des "Einzigmöglichen", des "Von-der-Natur-für-immer-Gegebenen" zu verleihen und es so der Veränderungsmöglichkeit zu entziehen. Das "nicht-aristotelische" Theater hingegen veranlaßt schon durch seine Art der Darstellung den Zuschauer, den Helden und sein Verhalten nicht "schicksalhaft" hinzunehmen, sondern für die Dauer des Spiels die auf der Bühne gezeigten Vorgänge im Geist durch andere mögliche Vorgänge zu ergänzen. In seinen Ergänzungen zum "Kleinen Organon für das Theater" sagt es Brecht so: "Damit, auf spielerische Weise, das Besondere der vom Theater vorgebrachten Verhaltensweisen und Situationen herauskommt und kritisiert werden kann, dichtet das Publikum im Geist andere Verhaltensweisen und Situationen hinzu und hält sie, der Handlung folgend, gegen die vom Theater vorgebrachten. Somit verwandelt sich das Publikum selber in einen Erzähler." (GA 23, 300) Dadurch verlieren die Vorgänge den Charakter des "Immerigen". Sie werden "historisiert".
Übrigens ist "Historisieren" einer der Schlüssel zur Arbeitsweise des Brechttheaters. Brecht "historisierte" nicht nur historische Stücke, sondern besonders Stücke und Themen der Gegenwart. Das Gegenwärtige wird durch Bekanntheit und Gewöhnung leicht der Geschichtlichkeit entzogen, das heißt, man hält es für "Immeriges". Man fragt nicht nach seiner Entstehung, also nicht nach seiner Vergänglichkeit. Damit entzieht es sich - bewußt oder unbewußt - dem Zugriff des Menschen, in diesem Fall dem Zugriff des Publikums. "Historisieren" ist das Aufdecken der menschlichen Tätigkeit in allem, was Geschichte hervorbringt, gleich ob es sich um menschliche Leistungen handelt oder um jene Mächte, die dem Menschen fremd oder gar übersinnlich gegenüberstehen, denn auch sie sind geronnene menschliche Tätigkeit. Genaugenommen ist "Historisieren" die Anwendung der Ersten Feuerbachthese auf das Theater: "Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus [...] ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv." (MEW 3, 5)
Gerade in der Frage des Historisierens ist bei heutigen Theatern ein Rückfall auch da zu beobachten, wo man sich ›links‹ und kritisch gibt. Es ist heute zum Ritual geworden, historische Stücke - nicht nur im Kostüm - aus ihrem historischen Feld zu reißen, angeblich um sie zu aktualisieren. So sagte ein Regisseur von Ibsens Nora, er könne es heute nicht mehr akzeptieren, daß ein bloßer Schuldschein eines nicht mal großen Betrages zu einer derartigen Familientragödie führt und baute dafür einen Mord ein. Diese Enthistorisierung entzieht für den Zuschauer jeden Sinn für Geschichte, da nur - arrogant - mit heutigen Werten gemessen wird. Fehlt aber der Sinn für Vergangenes, dehnt sich die Gegenwart in alle Ewigkeit aus. Das Stück, in künstlich heutige Aktualitäten gezogen, verliert nicht nur seine Poesie, zum Beispiel daß zu Zeiten winzige Ursachen zu riesigen Katastrophen führen, es verliert auch seine Aktualität, da der Zuschauer nicht als "Miterzähler" die Ereignisse des Stücks analog auf seine eigenen Verhältnisse umlegen kann.
Aber auch bei Stücken der Gegenwart führt Enthistorisieren zur Inaktivität des Zuschauers selbst da, wo man kritisch die heutigen Verhältnisse mit brutaler Härte auf der Bühne zeigt. Das Erschrecken des Zuschauers wird hier zum bloßen Zurückschrecken, da man heutige Unstimmigkeiten als Dauerkrise zeigt, die nicht veränderbar scheint. Fehlende Veränderungsmöglichkeit aber führt zur Anpassung selbst da, wo man sie beklagt. Die spießige Schicksalsergebenheit des alten bürgerlichen Theaters etabliert sich wieder durch die Hintertür. Dabei behauptet man, konsequenter als Marx zu sein, der nur die Entfremdung und Selbsttäuschung des Menschen konstatierte, aber nicht den Mut hatte, sie "als unüberwindliche Begleiterscheinung menschlicher Vergesellschaftung zu akzeptieren" (Derrida).
Brechttheater reduziert nirgends Abgründe, Ecken und Kanten dieser Welt, um den Zuschauer aus nüchterner Distanz zu belehren. Im Gegenteil, Brechttheater heißt Aufreißen von Widersprüchen und aktive Beteiligung des Zuschauers nicht nur als Betrachter, sondern als Miterzähler. Sein Ziel ist nicht, Widersprüche auf der Bühne schnell zu lösen, damit der Zuschauer schnell erlöst werde. Im Gegenteil, Brechttheater heißt Steigerung der Widersprüche bis zur Unerträglichkeit, um das Ertragen und die Geduld, die Veränderungen verhindern, beim Zuschauer in Frage zu stellen. Es ist also der Versuch, in alles, was erstarrt ist, sei es durch Gewöhnung, Alltäglichkeit, Routine oder Ideologie, Bewegung zu bringen. Ja, das Prinzip des Bewegens - Brecht sprach zuletzt gern von "dialektisieren" - ist eigentlich das A und O aller seiner Bemühungen auf und mit dem Theater. Jener erstaunte Blick, mit dem der Schauspieler sich seiner Rolle nähert, und der erstaunte Blick, mit dem der Zuschauer die Bühne betrachtet, vermögen alles, was gezeigt wird, in Bewegung zu bringen, sogar den Stillstand.
Brecht schätzte Samuel Becketts Warten auf Godot. Er plante sogar kurz vor seinem Tode eine Aufführung des Stücks am Berliner Ensemble, die nicht mehr zustande kam. Der völlige Stillstand einer Welt, den dieses Stück zeigt, und der im üblichen Theater leicht zu Langeweile oder zum Welt-Mythos führt, sollte mit der Spielweise Brechts zum atemberaubenden Vorgang werden, indem der Zuschauer das Warten auf der Bühne nicht teilt, sondern, verwundert über solches Verhalten, seine Ungeduld dagegenhält, den Stillstand also historisiert (kritisiert). Estragon und Wladimir, die auf Godot warten, sollten bei Brecht allerdings nicht schlechthin Clochards sein, sondern Arbeitslose. Daß Arbeitslose nicht auf Arbeit warten, sondern auf Godot, macht den Vorgang noch absurder, eben zur Clownerie. Brecht wurde oft vorgeworfen, daß in seinem Antikriegsstück Mutter Courage und ihre Kinder die Courage, die alles durch den Krieg verloren hat, nichts lernt und am Ende weiter in den Krieg zieht. Bei richtiger Spielweise aber muß die Courage nichts lernen, damit der Zuschauer lernt. Ja, gerade ihre Unbelehrbarkeit, bis ins Unerträgliche gesteigert, löst das Unverständnis des Zuschauers aus. Und nicht nur sein Verstand ist es, der die Unbelehrbarkeit der Courage kritisiert, es sind ebenso seine Gefühle, darunter das wichtigste, wenn es um neue Erkenntnis geht: das Erschrecken.
Brecht sprach im letzten Jahr seiner Arbeit oft von der Naivität seines Theaters, ohne die es nicht zu verstehen und schon gar nicht zu machen sei. Er meinte nicht die primitive Naivität, die das Gegenteil des Nachdenkens ist. Er meinte die Naivität, die der Analyse folgt. Es reiche eben nicht, wenn der Zuschauer am Ende eines Stücks neue Einsichten hat. Solche Einsichten, die das Theater natürlich vermitteln muß, müssen durch das Theater gleichzeitig in naive Reaktionen umgearbeitet werden: in Erschrecken, in Trauer, in Protest, in Zorn, in Staunen, aber auch in Lachen, Verspotten, Belustigen, Erfreuen usw. Erst diese naiven Reaktionen verleihen dem Gedanken den "Glutkern" des Handelns. Im Sinne solch naiven Erlebens, das in Brechts Theater neuen Erkenntnissen und Einsichten folgen muß und das aus ›reinem‹ Denken das von Brecht so geschätzte "eingreifende Denken" macht, sprach Brecht von der "kritischen Haltung" als von einer "enorm künstlerischen Haltung". Denn die "kritische Haltung", die der Schauspieler und der Zuschauer einnehmen, macht das Erkennen der Welt und den Eingriff zu ihrer Veränderung zum Genuß. Es ist jener Genuß, den Marx in den Grundrissen in der "bewußten Lebenstätigkeit" des Menschen sieht, indem der Mensch sich in seinen Werken wieder als "tätiges Wesen" entdeckt und diese Tätigkeit genießt. So auch im Theater, wenn der Zuschauer vom bloßen Betrachter zum aktiven Miterzähler wird. Als ich Brecht einmal fragte, wen er sich in diesem Sinne als Zuschauer wünsche, antwortete er schlicht und einfach: Karl Marx.
"Episches Theater" nannte Brecht in den zwanziger Jahren seine Art, Theater zu machen, die davon ausgeht, daß auf der Bühne durch das Spiel des Schauspielers Geschichten erzählt werden, die den Zuschauer selbst zum Erzähler machen. Und daß die Fabel, die erzählte Geschichte eben, das Herzstück des Theaters ist (in diesem Punkt stimmte Brecht mit Aristoteles überein). Später in den fünfziger Jahren, beschäftigt, eine poetische Form für die sozialistischen Umwälzungen, die im Osten Deutschlands stattfanden, zu finden, sprach Brecht vom "Dialektischen Theater". Für die Verbindung von philosophischen Einsichten mit elementaren Genüssen (eben der Naivität), wie es Brecht in den letzten Jahren seiner Theaterarbeit versuchte, aber reichte auch diese Bezeichnung nicht mehr aus. Zuletzt sprach Brecht - noch sehr vorsichtig - von "philosophischem Volkstheater".
Schön und gut, höre ich sagen, das ist die Theorie. Aber wo ist die Praxis? Wo findet man heute "philosophisches Volkstheater"? Wo findet man heute Brecht? Ist Brecht heute da, wo man Brecht-Stücke spielt? Aber gerade weil, selbst in Deutschland, wieder Stücke von Brecht gespielt werden, bemerkt man, wie sehr Brecht abwesend sein kann, besonders in seinen eigenen Stücken. Wenn man sie zum Beispiel "ohne Ansichten und Absichten" spielt oder nur, um die Kassen zu füllen.
Am Deutschen Theater in Berlin sah ich kürzlich eine Aufführung der Mutter Courage, noch dazu von einem berühmten Regisseur, die mit gekonnter Flachheit einschlägiger Fernsehserien selbst die spannende Geschichte der Marketenderin und ihrer Kinder derart niederbügelt, daß man sich - von Langeweile geplagt - am Ende fragt, ob Brecht überhaupt ein Dramatiker sei. Oder ein Baal am Nationaltheater in Weimar, der das Stück mit der alten Keule des Symbolismus erschlägt, indem immerfort Bedeutungen zelebriert werden, bevor die Geschichte erzählt wird.
Wie aber stellt man heute die Anwesenheit von Brecht fest? Ist es der Brecht-Stil, von dem man nur eins mit Sicherheit weiß, daß Brecht ihn nicht kannte, da er als Regisseur mit jeder Inszenierung die Stilmittel wechselte. Vielleicht hilft eine Bemerkung weiter, die der Komponist und Freund Brechts, Hanns Eisler, einmal machte, von dem man sagt, daß er Brecht besser kannte als der sich selbst. "Das Gestische", so Eisler, "ist ja eine der genialen Entwicklungen von Brecht. Er hat das genauso entdeckt wie Einstein seine berühmte Formel." Danach ist die Sprache, die selbst Goethe in seinen Anweisungen für Schauspieler noch für das Hauptmittel des Theaters hielt, das gesprochene Wort also, eigentlich nicht die Sprache des Theaters, jedenfalls nicht hauptsächlich. Die Sprache des Theaters ist der "Gestus", übrigens eine Worterfindung von Brecht. Der Gestus ist die Haltung eines Menschen, die er in einer bestimmten Situation einem anderen Menschen gegenüber einnimmt, und die alle seine Ausdrucksmittel bestimmt: seine Körperhaltung, seinen Tonfall, seine Gesten, seinen Gesichtsausdruck, eben alles. So wird die Sprache auf der Bühne erst wirksam, wenn ihr ein bestimmter Gestus unterliegt, eben der einer konkreten Situation: Man streitet, man überzeugt, man beleidigt, man bittet, man fordert, man weist zurück, man ladet ein, man flucht, man mahnt, man befiehlt, man schmeichelt, man verurteilt, man umarmt usw. Brecht wird da auf der Bühne anwesend sein, wo man sich bemüht, konkrete Situationen zwischen Menschen herzustellen, um von dort aus alles Innen- und Außenleben der handelnden Figuren abzuleiten. Das deutsche Wort "schön" zum Beispiel hat im rein sprachlichen Theater eine einzige Bedeutung, nämlich schön zu sein. Im gestischen Theater kann es viel mehr bedeuten, je nachdem, in welcher Haltung und in welcher Situation es gesagt wird, kurz, welcher Gestus ihm unterliegt. Wird ein Mann zum Beispiel von seinem Freund gefragt, ob er ihm für eine Woche sein neues Auto leihen kann und er sagt "schön", drückt er damit sicherlich nicht sein Entzücken aus. Auch der Ausruf eines Vaters "Das ist eine schöne Bescherung!", wenn sein Sohn mit einem Fußball die Fensterscheibe des Nachbarn zertrümmert hat, sagt nicht, daß der Vater das schön findet. Einen Gestus, also eine bestimmte Haltung, nehmen nicht nur einzelne Figuren zueinander ein, auch eine Szene, ja, eine ganze Inszenierung kann einen Gestus haben und zwar gegenüber dem wichtigsten Partner, dem Publikum. Zum Beispiel den Gestus der Provokation. Oder des Berichtens. Oder des Appellierens. Oder des Beschämens. Ein und dasselbe Stück kann durch den Wechsel des Gestus sogar seinen Inhalt wechseln.
1959 inszenierten wir am Berliner Ensemble Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui im Gestus einer marktschreierischen Moritat über einen Straßenräuber. Damals sahen noch viele Deutsche in Hitler zwar einen Verbrecher, aber eben auch einen Dämon, dessen Größe sie unweigerlich verführt hätte. Wir zeigten Ui/Hitler auf der Bühne mit allen Mitteln der Jahrmarktsbude als miesen kleinen Räuber und beschämten alle, die ihm nachgelaufen sind. Heute müßte man das Stück wahrscheinlich anders spielen, nämlich im Gestus einer Shakespeare-Historie, die nicht so sehr die Geschichte des Gangsters Arturo Ui erzählt, sondern die der Trustleute, die Ui mit Geld und Politik erst für ihre Zwecke aufbauen, um ihn, wenn er seine Schuldigkeit getan hat, zu verteufeln und fallen zu lassen. Nicht Beschämung des Publikums wäre hier ein möglicher Gestus, sondern zuverlässiges Berichten, die Sensation der Fakten also in bizarrer Grausamkeit. Ein solcher Gestus machte das Stück zur Gegenwart. Die Taliban und ein Saddam kämen in Sicht und das Pentagon, das sie erst aufbaut und dann verteufelt, wenn sie nicht mehr gebraucht werden.
Der Komponist Eisler sprach auch von "gestischer Musik" und nannte dafür als besonderes Beispiel den "Bericht über den Tod eines Genossen, der an die Wand gestellt wurde" aus Brechts Stück Die Mutter. Es ist die Szene, als die Mutter erfährt, daß Pawel, ihr Sohn, als Revolutionär standrechtlich erschossen wurde. Erschüttert hält die Mutter den Brief mit der Mitteilung in der Hand, die Musik Eislers teilt die Trauer, hat aber den Gestus einer Ermunterung wie eine Bachsche Fuge: in der Trauer liegt die Hoffnung. Denn jene, die Pawel erschießen, sind einfache Soldaten, also seinesgleichen "und nicht ewig unbelehrbar".
Brecht sprach auch vom Gestus des Bühnenbildes. Es ist die Haltung, die auch ein Bühnenbild, gleich ob realistisch oder konstruktiv, dem Publikum gegenüber einnehmen kann. Die leere Bühne der ersten Mutter-Courage-Inszenierung 1948 in Berlin, auf der nur der Planwagen der Courage, beladen oder verarmt, unaufhörlich in den Krieg rollt, war nicht die Etablierung eines sogenannten Brecht-Stils, was bis heute behauptet wird, sondern hatte einen realen Gestus: es war die Einladung an das Publikum zur Mitarbeit, alles auf der Bühne Fehlende durch eigene Erfahrungen mit dem gerade zu Ende gegangenem Krieg zu ergänzen.
Auch die Nüchternheit, das berühmte brechtsche "Grau-in-Grau", war nicht Stilmittel, sondern, wie Brecht es formulierte, "eine Entziehungskur für Rauschgiftsüchtige, denen noch Prunk und Pathos der Göring-Theater im Auge und im Ohr waren". Später, in seiner Inszenierung des Kaukasischen Kreidekreises entfaltete Brecht geradezu eine Pracht der Farben, wie sie bei den großen Niederländern zu finden sind. Es war der Gestus der Einladung an das Publikum, Umschau zu halten nach neuer Vitalität und neuen Helden. Brecht haßte Bühnenbilder, die den Zuschauer zum Voyeur machen, der wie durch ein Schlüsselloch Einblick in Intimitäten erhält. Aber auch solche, die von vorn herein den Ausgang eines Stücks vorwegnehmen, indem sie zum Beispiel - wie heute oft - Trümmerlandschaften zeigen, bevor sie im Stück entstehen. Das sei so, als erzähle man die Pointe vor dem Witz. Die Suche nach dem Gestus, ob beim Schauspieler, bei der Musik, beim Bühnenbild, setzt Kenntnis der Realität voraus. Gerade weil man Realitäten in ihrer äußeren Erscheinung nicht bloß kopieren will, ist ihre Beobachtung und Entdeckung unerläßlich. Brecht nennt es die "Kunst der Beobachtung", für ihn - wie schon für Diderot - neben dem Talent die wichtigste Voraussetzung für Theater.


SECHSTER EINWAND

›Der Pudding erweist sich beim Essen‹, soll ein Lieblingsspruch von Brecht gewesen sein. Wo aber ist heute ein Theater mit "Ansichten und Absichten", einer "gestischen Spielweise", in dem das Publikum, mitbeteiligt am Spiel, Aufklärung und Genuß erfährt? Ist das nicht bei dem Durcheinander der Theaterkunst heute - manche sagen auch Pluralismus dazu - eine Utopie?

Theater wird immer auch Utopie sein. Wo die Utopie aufhört, hört Theater auf. Auch Brecht wähnte sich nicht am Ende der Weisheit. Er betrachtete seine eigene Arbeit, auch die am Berliner Ensemble, als erste Anfänge eines neuen Theaters, das als Partner die große Emanzipation der Menschen begleitet, befördert, besingt. Seine Vorschläge für ein solches Theater, das Aufklärung und Genuß, Analyse und Leidenschaft, höchste Professionalität und echte Naivität, das Schauspielkunst und Zuschaukunst vereint, niedergelegt in seiner Schrift Kleines Organon für das Theater, sind Wissenschaft und Traum zugleich. Brechts Thesen, auch da, wo sie apodiktisch klingen, bestimmen nicht die Zukunft des Theaters, sie erweitern nur seine Möglichkeiten. Denn trotz anders lautender Gerüchte setzte Brecht nicht nur auf Planung, er ließ auch die Ahnung gelten. Als ich ihn einmal fragte, woher er die Sicherheit im dialektischen Denken nehme, antwortete er zu meiner Verblüffung, für ihn sei Dialektik auch Gefühlssache.
Doch zurück zu den Fakten. Wo findet man heute Theater, das Brecht gefallen würde? Diese Frage könnte eigentlich nur Brecht beantworten. Ich kann nur von mir ausgehen, was den Vorteil hat, unvollständig zu sein, also der Ergänzung durch andere zu bedürfen. Zumal ich mich nur in Europa ungefähr auskenne. Das letzte Mal, daß ich den Eindruck hatte, Brecht hätte eine Theateraufführung gefallen, war vor wenigen Wochen am Staatstheater Cottbus. Es war Mutter Courage und ihre Kinder, inszeniert von Alejandro Quintana, der, einst als chilenischer Emigrant in die DDR gekommen, seine Lehrzeit am Berliner Ensemble absolvierte und heute ein gefragter Regisseur in Deutschland ist.
Vor seiner Cottbusser Inszenierung wurde ich gewarnt, sie sei, sagte man mir, "ganz anders". Sie war tatsächlich ganz anders, aber nach meiner Meinung deswegen um so näher bei Brecht. Schon beim Aufgehen des Vorhangs, auf dem die Friedenstaube von Picasso zu sehen war, vermeinte man Bilder aus dem heutigen Bagdad zu sehen: Zwei Soldaten in khakifarbenen Kampfanzügen, mit stoffbezogenen Helmen, Maschinenpistolen unruhig in Händen, beschweren sich, daß "die Leut hierherum so voll Bosheit seien", obwohl man doch als Befreier gekommen sei. Das ist die erste Überraschung des Abends: Quintana hat die Inszenierung lange vor dem Irakkrieg gemacht. Sie wurde zur Voraussage. Die zweite Überraschung:
Die heutigen Kostüme verführen den Regisseur nicht zu heutiger Flachheit. Er spielt die archetypischen Kriegssituationen mit Größe, Schärfe und Humor aus, so daß die heutigen Kostüme sie nicht- wie in vielen anderen Inszenierungen - ›cool‹ machen, im Gegenteil, die Kostüme machen die archetypischen Situationen Brechts noch überraschender, also kräftiger. Die dritte Überraschung: Quintana leugnet nicht seine Herkunft. In Beweglichkeit und Farbigkeit der Figuren, die mehr aus Lateinamerika als aus dem Deutschland des Dreißigjährigen Krieges kommen, gewinnt er für die Geschichte eine ganz neue Dimension. Diese Courage, die an die Zigeunerin Celestina des Fernando de Rojas erinnert, und ihre lebensfrohen Kinder machen das Ende der Familie um so erschütternder. Auch daß am Ende die Courage, die der Krieg um ihre Kinder und alle Habe gebracht hat, nicht weiterzieht, sondern aufschreit, als wollte sie die schlafende Welt wecken, hätte Brecht sicher akzeptiert. Es ist, als höre man den Aufschrei vieler Millionen heute gegen die Kriege jenes ›Imperiums‹, gegen das Arundhati Roy auf dem Welt-Sozial-Forum in Mumbai zum friedlichen Krieg aller Friedliebenden aufrief.
Bei einer anderen Inszenierung, die einige Jahre zurückliegt und die ich im Hamburger Schauspielhaus sah, wird man erstaunt sein, wenn ich sie "Brechttheater" nenne. Erstaunt wäre vor allem der Regisseur, der keine ›Politik‹ mit seinem Theater beabsichtigt und schon gar keinen "Brecht". Es ist der Schweizer Regisseur Christoph Marthaler mit Die Stunde Null oder Gedenktraining für Führungskräfte. Eigentlich ist es gar kein Stück, sondern eine Collage von Beobachtungen, Episoden, Pointen, Szenenfetzen und vor allem Gesängen, und da von innigen deutschen Volksliedern. Denn Marthaler ist von Haus aus Musiker (und es wird tatsächlich himmlisch und vielstimmig gesungen). Die Führungskräfte müssen, bevor sie führen, sich als fühlende (singende) Menschen mit Herz üben. Brecht nannte seine Szenenfolge Furcht und Elend des Dritten Reiches ein "Gestarium". Er sammelte aus der Entfernung der Emigration Berichte, Notizen, Bilder, Witze, Phrasen aus dem Alltag des Faschismus in Deutschland. Also "Gesten" der Alltäglichkeit, die den Faschismus erst ermöglichten. Es war das "Gestarium" des Alltags, das sich selbst als ›unpolitisch‹ oder harmlos ansah und doch in der Masse die Hauptschuld an den großen Verbrechen trug.
Ein solches "Gestarium" scheint mir Marthalers Gedenktraining für Führungskräfte zu sein. Hier üben in "geschlossenem Lehrgang" unter Aufsicht einer "Erzieherin" als Fuchtel des Weltgeistes in der "Stunde Null" - also 1945 - die künftigen Eliten des sich wiederaufrichtenden Kapitalismus, was sie als die kommenden Führungskräfte am dringendsten benötigen: das Händeschütteln (sie üben es an einer Hand, die an einem Turn-Pferd angebracht ist); das Winken zum Volk mit dem dazugehörenden ständigen Lächeln; das Zerschneiden von Bändern, um Brücken einzuweihen; vor allem aber und ständig die ›freie Rede‹ der festgelegten Texte am Mikrophon, bei der man viel redet und nichts sagt. Dazwischen Erfrischungen von Tee, den man im Stehen einnimmt und auf den kleinen Finger achtet, der von der Tasse abgespreizt sein muß, um Kultur zu beweisen. Und immer wieder Sprüche und Gesänge, mit denen man Herz und Verstand in jenem Patriotismus trainiert, den man später als Führungskraft anderen abverlangt.
Marthalers Gedenktraining ist Hohe Schule von dem, was Brecht die Kunst der Beobachtung nennt. Die große Ruhe, in der sich die Übungen ständig wiederholen, verleihen ihnen den Gestus von ›Sitten und Gebräuchen‹, wie sie auch Brecht verwandte, um Handlungen zu historisieren und einem System zuzuordnen, das sie immer wieder hervorbringt. Selbst, wie man seine Betten baut und sich zur Nachtruhe anschickt, folgt festen Regeln, besonders da, wo man auf unverwechselbarer Individualität besteht. Da jeder darauf besteht, wird es zum Stereotypen Gruppenverhalten, das man braucht, um in die Eliten von Daimler-Benz oder der Deutschen Bank aufzusteigen.
Der schonungslose Humor, im tiefsten Ernst vorgetragen, besonders da, wo das Lächerlichste verrichtet wird, macht das Gedenktraining mit Gesang und Innigkeit zu einer Parade der Nieten in Nadelstreifen. Gerade Genauigkeit der Details, ihre ständige Wiederholung und die widersprüchliche Montage verfremden in grandioser Weise einen Alltag, der sonst schon gar nicht mehr in seiner Absurdität auffällt. Es ist im Sinne Brechts beste "immanente Kritik". Und es erfüllt noch ein Kriterium des Brechttheaters: Es ist unglaublich unterhaltsam.
Auf der Suche nach Brecht kommt man an Dario Fo nicht vorbei. In seinem Theater in Mailand, das noch ein echtes Arbeitertheater ist, verbindet der große Schauspieler, Poet, Improvisateur die Traditionen der commedia dell'arte mit der gesellschaftskritischen Spielweise Brechts und praktiziert tagtäglich, wovon Brecht träumte: philosophisches Volkstheater. Seine Themen reichen von Julius Cäsar bis Silvio Berlusconi, vom Vatikan, der die Sünde erfindet, bis zum Supermarkt, in dem die Kunden sich entschließen, nichts mehr zu bezahlen. Wenn es einen Beweis für Brechts Behauptung gibt, nicht das Wort, sondern der Gestus sei die Sprache des Theaters, ist es der Schauspieler Dario Fo. In einer Matinee im Berliner Ensemble 1986 improvisierte er einen englischen Richter, der mit gewaltigem Plädoyer einen armen Taschendieb verknackt; einen schwedischen Chefarzt, der seine Methode des Bauchaufschlitzens als die einzig erfolgversprechende preist; einen französischen Pfaffen, der gegen Verhütungsmittel wettert. Wir Zuschauer verstanden alles und waren von der Genauigkeit der Charaktere begeistert; erst später erfuhren wir, daß Dario Fo kein Wort englisch, schwedisch oder französisch spricht. Er sprach in "Grammlo", einer Sprache, die er selbst erfunden hat und die außer dem realen Gestus keinen Sinn hat.
Noch vor Beginn einer Vorstellung tummelt sich der Darsteller Fo, zum Beispiel eine Wundertäterin darstellend, die von Königin Elisabeth I. in den Buckingham-Palast gerufen wird, um ihr die Falten aus dem königlichen Gesicht zu entfernen, mitten unter den Zuschauern und verkündet seine Meinung zur hohen Politik oder zur Politik der Hohen, einbeziehend Ereignisse des Tages, die in ihrer Absurdität jede Historie einholen und Fos Behauptung bestätigen, daß das Lachen nicht nur den Mund, sondern auch das Gehirn öffnet.
Die Reihe kann sicher fortgesetzt werden. Brecht wird überall da anzutreffen sein, wo es um Entdeckungen geht, auch um die Wiederentdeckung von Brecht selbst. Jede Spielweise, die dem Aufreißen von Widersprüchen dient, um mit Widersprüchen dieser Welt umzugehen und sie zu nützen, sollte willkommen sein: Tragödie oder Clownerie, Vers oder Slang, Phantasie oder Dokument, Emotionen oder Kälte, Gründe oder Abgründe, Durchsichtiges oder Absurdes, aufbauen oder zertrümmern. Jedenfalls kann das Theater Brechts heute mehr Theatermittel freisetzen als die modistischen Richtungen, die in ihrem Bemühen, "Noch-nie-Dagewesenes" zu machen, einander gleichen wie ein Ei dem anderen. Sie sprechen von Imagination und heraus kommt nur Image. Neue Zeichen werden unentwegt gesetzt, bei genauem Hinsehen erweisen sie sich nur als neues Design.
Jede Generation hat - dem jungen Brecht folgend - ein Recht, sich von der vorigen abzustoßen. Zertrümmern altbewährter Mittel ist legitim, auch davon machte Brecht regen Gebrauch. Allerdings unter einer Bedingung: Zertrümmerung muß Freiräume schaffen, nicht Schuttplätze.
Sicher, es gibt heute viele Arten Theater zu spielen, Brechttheater ist darunter nur eine. Aber wenn man von Brecht spricht, gleich ob in Zustimmung oder Ablehnung, sollte man ihn kennen. Und am besten gerade das, was man zu kennen glaubt, noch einmal lesen. Und gerade weil ich, um diesen Text zu schreiben, Brecht wieder gelesen habe, kann ich versichern, daß die lohnende Bereicherung, die man von dem großen Philosophen Brecht erfährt, begleitet wird von einem nicht minder lohnenden Vergnügen. Es ist das Vergnügen an einem der großen Poeten unserer Zeit. Ist also Brechttheater eine Chance für unsere Zeit? Die beste Antwort ist, es auszuprobieren. Denn: Der Pudding erweist sich beim Essen.

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